frankly_green-icon-flagge-rwanda RUANDA

Die Republik Ruanda ist eine Präsidialrepublik in Ostafrika. Das kleine Binnenland liegt mitten in der Region der Großen Seen in Afrika und grenzt an Uganda, Tansania, Burundi und DR Kongo. Ruanda hat eine Gesamtbevölkerung von ca. 12,7 Mio. Menschen und ist nach Mauritius das am dichtesten besiedelte Land Afrikas mit 525 Einwohnern pro km² auf einer Landesfläche von 26.338 km².1,2 Damit ist das „Land der tausend Hügel“ (Englisch: Land of a Thousand Hills) kaum größer als das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz.

Das Staatsoberhaupt ist Präsident Paul Kagame, der zugleich Vorsitzender der Regierungspartei, Ruandische Patriotische Front (RPF), ist und seit 2000 im Amt ist. Ruanda hat vier offizielle Landessprachen: Kinyarwanda, Französisch, English und Swahili (seit 2017).3 Die Hauptstadt Kigali ist die größte Stadt Ruandas (860.000 Einwohner) und stellt das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum dar. Der größte Teil der Bevölkerung (rd. 83%) lebt allerdings in den ländlichen Gebieten und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die Landwirtschaft.4

Ostafrika
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Ruanda war von 1884 bis 1916 als Teil Deutsch-Ostafrikas eine deutsche Kolonie und belgisches Mandatsgebiet nach dem Ersten Weltkrieg. 1962 wurde das Land unabhängig. Schon seit den frühen 50er Jahren kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den ethnischen Gruppen Hutu und Tutsi. Der gewaltvolle Bürgerkrieg ab 1990 gipfelte schließlich in einem grausamen Genozid. 1994 töteten Angehörige der Hutu innerhalb von 100 Tagen mindestens eine Millionen Menschen, mehrheitlich Tutsi. Mehrere Millionen Menschen flohen vor der Gewalt nach Tansania, Uganda und Zaire (die heutige DR Kongo).5

Seit dem Ende des Genozids erlebt Ruanda einen beispielslosen Aufschwung und gilt als Musterbeispiel für effiziente Entwicklungspolitik aufgrund beachtlicher Erfolge bei der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Ruanda ist eines der wenigen Länder, welches bis zum Jahr 2015 fast alle Millenniumentwicklungsziele (MDGs) erreicht hat. Das zentrale Ziel der Halbierung der Armut wurde zwar nicht erreicht (60% im Jahr 2000 und 39% im Jahr 2015), jedoch fast alle anderen MDGs.6 Die Lebenserwartung stieg von 27 Jahren im Jahr 1994 auf 69 Jahre im Jahr 2019, im gleichen Zeitraum sank die Kindersterblichkeit von 120 auf 26 pro 1000 Lebendgeburten und die Einschulungsquote im Primarschulbereich stieg zwischen 1999 und 2019 von 85% auf 98%.7,8,9 Trotz großer Entwicklungsfortschritte belegt Ruanda jedoch nur Rang 160 im Human Development Index und gehört somit nach wie vor zu den am geringsten entwickelten Ländern der Welt.10

Ruanda
MAKROÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGEN11
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Ruanda gilt als Vorbild für wirtschaftliche Entwicklung und wird oftmals als Stabilitätsanker in einer volatilen Region (die geprägt ist von schweren Konflikten in Burundi, DR Kongo und Südsudan) angesehen. Die Wirtschaft Ruandas wächst seit einigen Jahren jährlich um durchschnittlich rund sieben Prozent und die Prognosen für die kommenden Jahre liegen ebenfalls auf diesem Niveau, nachdem die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie einen massiven Einbruch erlitten hat: Wachstumsrate: 9,4% in 2019, -3,3% in 2020, Prognose für 2021: 4,9%. 12

Die wirtschaftliche Entwicklung beruht hauptsächlich auf staatlichen Infrastrukturinvestitionen, die überwiegend durch internationale Geber finanziert werden. Der kleine Privatsektor des Landes befindet sich noch in den Kinderschuhen und die Entwicklung wird durch strukturelle und politische Faktoren gehemmt: Ruanda ist ein kleines Binnenland mit begrenzten natürlichen Ressourcen, niedrigem Einkommen und einer schmalen Produktions- und Exportbasis, darüber hinaus übt der Staat eine hohe Kontrolle aus.13

Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die Staatsverschuldung in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist (von 18,7% des BIP im Jahr 2010 auf zuletzt 60,1% des BIP im Jahr 2020) und somit nahezu wieder auf dem Niveau wie vor der Entschuldung im Jahr 2006 liegt.14 Ruanda erhielt im Rahmen der HIPC-Initiative der G8-Staaten (Enhanced Initiative for Heavily Indebted Poor Countries) einen völligen Schuldenerlass; seitdem sind die Schulden allerdings rasch wieder angewachsen.15

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nach Kaufkraftparität (KKP) konnte seit Ende des Genozides einen bemerkenswerten Anstieg verzeichnen und lag im Jahr 2020 bei USD 2.214 (USD 936 im Jahr 2005). Nichtsdestotrotz gehört Ruanda mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von USD 798 immer noch zu den ärmsten Ländern Afrikas (Land mit mittlerem Einkommen ab einem Pro-Kopf-Einkommen von USD 1.036).16 Die Landwirtschaft (insbesondere Tee und Kaffee als Hauptexportgüter) gilt nach wie vor als einer der wichtigsten Bereich der Wirtschaft und erwirtschaftete 23% des BIP im Jahr 2019 – nur übertroffen vom Dienstleistungssektor, der im selben Jahr mit 49,1% zur Wirtschaftsleistung beitrug.17 62% Prozent der Erwerbsbevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft, im Jahr 2000 waren es noch 88,5%.

Obgleich Ruanda seit dem Genozid im Jahr 1994 wesentliche Fortschritte gemacht hat, bleiben enorme Herausforderungen bestehen, unter anderem die hohe Armut in ländlichen Regionen, hohe Ungleichheit, geringe Ausstattung mit Rohstoffen, hohe Bevölkerungsdichte, Landknappheit, Anfälligkeit für negative Auswirkungen des Klimawandels (Zunahme von Starkregen und Dürren), hohes Bevölkerungswachstum sowie der zunehmende Bedarf an Arbeitsplätzen außerhalb der Landwirtschaft. Die Regierung verfolgt eine ambitionierte Entwicklungsstrategie, die darauf abzielt, den Wandel von der Subsistenzlandwirtschaft zu einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft zu bewirken, den Tourismus als Hauptexportprodukt und Devisenbringer auszubauen und das kleine Land attraktiv für ausländische Investoren zu machen.18 Zumindest der letzte Teil der Strategie scheint bereits aufzugehen: der deutsche Automobilhersteller Volkswagen hat in Ruanda sein viertes Werk auf dem Kontinent eröffnet (nach Südafrika, Nigeria und Kenia)und baut seit 2018 in einer eigenen Fabrik Autos.19 Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist das „Made in Africa“ Mara-Smartphone, das erste Smartphone aus afrikanischer Produktion, welches in einer neuen Fabrik in der Sonderwirtschaftszone Kigalis hergestellt wird.20 Ausländische Investoren können innerhalb von 48 Stunden eine Firma eröffnen – die Genehmigungen werden online beantragt, das Land hat so viele Dienstleistungen digitalisiert wie nur wenige andere.

Die sogenannte „Vision 2050“ soll Ruanda als eine entwickelte, klimaresistente und kohlenstoffarme Volkswirtschaft positionieren und in die Kategorie der Länder mit hohem Einkommen heben, nachdem das Ziel, Ruanda bis 2020 in ein Land mit mittlerem Einkommen zu verwandeln, verfehlt wurde. Die Vision 2050 – bestehend aus den 5 Säulen Human Development, Competitiveness and Integration, Agriculture for Wealth Creation, Urbanization and Agglomeration sowie Accountable and Capable State Institutions – wird im Rahmen 7-jähriger Implementierungspläne, den sogenannten nationalen Transformationsstrategien umgesetzt.

Das Land wird seit 2000 von dem ehemaligen Rebellenführer Paul Kagame autoritär regiert. Der amtierende Präsident wurde im August 2017 mit 98,8 Prozent im Amt bestätigt. Bereits 2015 wurde per Referendum die Verfassung geändert, um Präsident Kagame bis zu 3 weitere Amtszeiten zu ermöglichen (ggf. bis 2034). Die Internationale Gemeinschaft hatte die anschließende Präsidentschaftswahl im August 2017 wegen der Nichteinhaltung internationaler Standards und zahlreicher Unregelmäßigkeiten mit Sorge begleitet, u.a. wegen politischer Einschüchterung und Nichtzulassung einiger Parteien und Kandidaten, unfairer Registrierungsverfahren sowie mutmaßlichem Betrug bei der Stimmauszählung.21

Trotz der vielen positiven wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen weist Ruanda erhebliche Defizite in den Bereichen Demokratie und Rechtstaatlichkeit auf. Die Meinungs-, Medien und Vereinigungsfreiheit ist maßgeblich eingeschränkt und politische Oppositionelle werden verfolgt und eingeschüchtert. Die demokratische Entwicklung des Landes hat insgesamt mit der sozio-ökonomischen bislang nicht Schritt gehalten. Trotz formal demokratisch legitimierter Institutionen ist die Parteien- und Meinungsvielfalt eingeschränkt. Auch der Zivilgesellschaft fällt es zunehmend schwer eine kritische Rolle gegenüber der Regierung einzunehmen. Menschenrechtsorganisationen werfen Militär, Polizei und Geheimdienst schwerwiegende Verstöße gegen die Grundrechte vor, unter anderem willkürliche Verhaftungen und Tötungen, Folter und das Verschwindenlassen von politischen Oppositionellen.22

Der Freedom House Index ordnet Ruanda als “nicht frei“ (22 von 100 Punkten) ein. Insbesondere politisch Andersdenkende werden systematisch unterdrückt durch allgegenwärtige Überwachung, Einschüchterung und mutmaßliche Ermordungen.23 Gleichermaßen besorgniserregend ist die Lage für die Pressefreiheit, laut Press Freedom Index belegt Ruanda Platz 156 von 180.24 Die Economist Intelligence Unit misst anhand fünf verschiedener Faktoren (Wahlprozess und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, Politische Teilhabe, Politische Kultur und Bürgerrechte) den Grad der Demokratie in 167 Ländern. Ruanda belegt Platz 130 von 167 und wurde als autoritäres Regime eingestuft.25

Zugleich gilt das ostafrikanische Land als Vorreiter in Afrika beim Umweltschutz, der Digitalisierung und der Gleichberechtigung der Geschlechter.

Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel sind eine zentrale Priorität für die ruandische Regierung, da eine durch den Klimawandel bedingte Veränderung der Niederschläge oder verstärkte Erosion große Risiken für die Stromerzeugung und die Landwirtschaft bergen. Dementsprechend hat sich Ruanda in der 2011 verabschiedeten Strategie für Grünes Wachstum und Klimaresilienz einem umweltverträglichen und nachhaltigen Entwicklungspfad verschrieben, um so langfristiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen. Außerdem hat die ruandische Regierung der Verschmutzung im öffentlichen Raum den Kampf angesagt – Kigali gilt als eine der saubersten Städte Afrikas, Plastiktüten sind im gesamten Land verboten.

Auch mit Blick auf die Gleichstellung der Geschlechter strebt Ruanda eine Vorreiterrolle an. Unter anderem wurde in der Verfassung festgeschrieben, dass jedes entscheidungsgebende Gremium eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent erfüllen muss. Seit 2003 hat Ruanda durchgehend den weltweit größten Frauenanteil im Parlament, im Jahre 2020 waren 61,2% der ParlamentarierInnen weiblich.26 Allerdings ist die Macht der Abgeordneten sehr begrenzt, sie haben nur stark eingeschränkte Befugnisse und kaum Entscheidungsgewalt. Hinzu kommt, dass Ruanda beim Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit (Gender Inequality Index), einem sozialen Indikator zur Gleichstellung der Geschlechter27, verhältnismäßig schlecht abschneidet und lediglich Rang 160 von 189 belegt.28

Ruanda bemüht sich um eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Gebern und Investoren, eine aktive Beteiligung in internationalen Foren und strebt eine stärkere Einbindung in regionale Bündnisse an. Seit 2007 ist das Land ein aktives Mitglied der Ostafrikanischen Gemeinschaft (East African Community, EAC). Von 2018 bis 2019 hatte Präsident Kagame den Vorsitz der afrikanischen Union inne und übersah in dieser Funktion die Unterzeichnung des panafrikanischen Freihandelsabkommen (African Continental Free Trade Agreement, AfCFTA) in der Hauptstadt Kigali. Seit 1970 ist Ruanda zudem Mitglied der Internationalen Organisation der Frankophonie (Organisation Internationale de la Francophonie, OIF); die ehemalige ruandische Außenministerin Louise Mushikiwabo bekleidet dort derzeit den Posten der Generalsekretärin. Seit 2009 gehört Ruanda dem Commonwealth an und richtet den kommenden, ursprünglich für 2020 geplanten Gipfel aller Mitgliedsländer in Kigali aus.

Weitere Einblicke und lesenswerte Länderportraits finden sich u.a. auf der Webseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für weitere Informationen zu den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen empfehlen wir Ruandas Voluntary National Review 2019, welcher Ruandas Fortschritte in Richtung nachhaltige Entwicklung hervorhebt, oder den Country Private Sector Diagnostic Bericht von International Finance Corporation (IFC). Detaillierte Zahlen und Fakten zur wirtschaftlichen Entwicklung stellt die Weltbank im Rwanda Economic Update zur Verfügung. Die Open-Data-Website der Weltbank bietet eine umfassende statistische Datensammlung.

QUELLEN

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