Mini-grids südlich der Sahara

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„Unter einem Mini-Grid (dt. „kleines Netz“) versteht man ein kleines Stromnetz, häufig auf einige Häuser oder ein Dorf begrenzt, welches vom nationalen Netzwerk unabhängig ist. Das Mini-Grid erzeugt den verbrauchten Strom lokal, zum Beispiel durch Solar, Wasserkraft oder auch Dieselgeneratoren.“

Einführung und makroökonomische Überlegungen

Schätzungen gehen davon aus, dass weiterhin rund 600 Millionen Menschen im Afrika südlich der Sahara (eng. Sub Sahara Africa, SSA) keinen Zugang zu Elektrizität haben. Das Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Regionen ist dabei beträchtlich. Bis zu 80 % der Menschen auf dem Land sind nicht an das Stromnetz angeschlossen. Im Durchschnitt hatten im Jahr 2018 knapp weniger als die Hälfte der Menschen in SSA einen Stromanschluss. Während auf den Seychellen oder Mauritius die Elektrifizierungsrate nahezu 100 % erreicht, wird in Malawi, Niger, Burkina Faso, dem Chad und Burundi nicht einmal jeder vierte Einwohner mit Strom versorgt. Im Einklang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen haben sich daher die meisten Regierungen in diesen Ländern bis 2030 zum Ziel gesetzt, eine universelle Stromversorgung für ihre Bevölkerung zu gewährleisten. Der zu erwartende zusätzliche Energiebedarf ist gewaltig.

Elektrifizierung der ländlichen Regionen ist jedoch nicht der alleinige Grund für das massive Wachstum der Stromnachfrage. Das südliche Afrika hat eine sehr junge, stark wachsende und zunehmend gut ausgebildete Bevölkerung. Das sich daraus ergebende Wirtschaftswachstum – zusammen mit dem anhaltenden Bevölkerungswachstum und der steigenden Elektrifizierungsrate – sind die Hauptreiber der Nachfragesteigerung. Die Economic Comission for Africa (ECA) der Vereinten Nationen erwartet daher, dass jährlich ca. 20 Milliarden US-Dollar in Erzeugungskapazitäten, die Ertüchtigung der Verteil- und Übertragungsnetze und intelligente Zähler investiert werden müssen, um allein nur eine minimale Stromversorgung für die Bevölkerung gewährleisten zu können.

Die Rolle der Mini-Grids

Die Elektrifizierung ländlicher Gegenden in Afrika ist jedoch weit komplizierter als das Verlegen neuer Kabel und das Anschließen zusätzlicher Verbraucher an das bestehende Stromnetz. In den meisten Fällen sind Dörfer nur schwer zu erreichen, was den Aufbau der notwendigen Infrastruktur unrentabel macht. Zudem ist das bestehende Stromnetz vielfach ohnehin schon überlastet und kaum in der Lage weitere Verbraucher zu bedienen. Hinzu kommen der oft mangelnde politische Wille, die langwierige Planung großer Infrastrukturprojekte und natürlich die Frage der Finanzierung. Betrachtet man all diese Faktoren zusammen lässt sich schnell erkennen warum nach wie vor Millionen Menschen in Afrika im Dunkeln sitzen. Eine mögliche Lösung stellen sogenannte Mini-Grids da. Unter einem Mini-Grid (dt. „kleines Netz“) versteht man ein kleines Stromnetz, häufig auf einige Häuser oder ein Dorf begrenzt, welches vom nationalen Netzwerk unabhängig ist. Das Mini-Grid erzeugt den verbrauchten Strom lokal, zum Beispiel durch Solar, Wasserkraft oder auch Dieselgeneratoren.

 

Profiteure solcher dezentralen Systeme sind zweifelsfrei erneuerbare Energien. Während ältere Mini-Grids der ersten und zweiten Generation häufig auf eine einzige Quelle aus fossilen Brennstoffen, Wasserkraft oder Biomasse zurückgegriffen haben, kommen in den Mini-Grid der dritten Generation immer häufiger eine Kombination aus Photovoltaik (PV)-Anlagen, Batteriespeichern und Notfall-Dieselaggregaten zum Einsatz. Diese hybriden Setups ermöglichen so trotz fluktuierender Stromerzeugung eine rund um die Uhr Versorgung mit Strom. Aufgrund der sinkenden Technologiepreise für sowohl Photovoltaik-Anlagen als auch Batteriespeicher sind diese zusammen in der Lage, neben niedrigeren CO2 Emissionen mittlerweile auch häufig niedrigere Kosten zu gewährleisten als gängige Dieselgeneratoren. Ein kürzlich erschienener Bericht der Africa Minigrid Developers Association (AMDA), der 28 Mini-Grid-Entwickler in 12 Ländern untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass Mini-Grids eine bessere Verfügbarkeit liefern und niedrigere Kapitalkosten pro neuem Anschluss benötigen als die nationalen Stromversorger. In 2019 waren im Afrika südlich der Sahara etwa 1.900 Mini-Grids im Einsatz. Die überwiegende Mehrheit davon ist aus der ersten und zweiten Generation, aber der Anteil der dritten Generation wächst stetig.

Geschäftsmodelle zum Betrieb von Mini-Grids sind noch sehr heterogen. Zentrale Charakteristika wie Eigentum, Betriebsführung, Technologie, Kundenbeziehung und Abrechnung variieren. Haupttreiber neuer Mini-Grid-Projekte sind aktuell hauptsächlich private Projektentwickler, wobei die Standortauswahl eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit spielt. Entwickler schauen sehr genau auf die Nachfrageseite und versuchen neben der Stimulierung privater Nachfrage frühzeitig auch gewerbliche Stromabnehmer in die Planung miteinzubeziehen, um Umsätze und Rentabilität zu optimieren. Ob ein Mini-Grid letztendlich rentabel ist, hängt sehr stark von der richtigen Kombination der oben genannten Faktoren ab. Eine allgemeingültige Aussage zur Profitabilität ist schwierig. Eines ist jedoch klar, die Wettbewerbsfähigkeit von Mini-Grids hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.

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Blick in die Zukunft

Die Weltbank geht davon aus, dass die Hälfte der 600 Millionen Afrikaner ohne Stromanschluss in Zukunft potenziell von Mini-Grids versorgt werden können. Das entspräche in etwa 140,000 neuen Mini-Grids. Zum Vergleich: Äthiopien, einer der größten potenziellen Märkte, hat im Jahr 2019 eine Ausschreibung für 25 hybride Mini-Grids ins Leben gerufen. Weitere Ausschreibungsrunden in ähnlicher Größenordnung wurden in Mali, Burkina Faso, Madagascar, Sierra Leone und Togo bekannt gegeben. Immerhin 250 Mini-Grids wurden in Nigeria bereits im Jahr 2018 im Rahmen einer Ausschreibung verwirklicht.

Trotz des enormen Potentials steckt der Markt für Mini-Grids weiterhin in den Kinderschuhen. Die Mehrzahl der Projekte ist auf staatliche Zuschüsse, nicht-kommerzielle (zinsvergünstigte) Darlehen oder sonstige Formen von Subventionen angewiesen. Das von Entwicklungsbanken zugesagte Kapital kann nur langsam investiert werden, da die lokalen Genehmigungsprozesse oft langwierig und intransparent sind. Sofern überhaupt rentabel, sind die risikoadjustierten Renditen unterhalb der Erwartungen von Investoren. Der Markt ist weiterhin geprägt durch Abwesenheit von echtem Wettbewerb und unzureichenden Referenzen und/oder Qualifizierung der Entwickler. Einsetzende Skaleneffekte und eine Beschleunigung des Genehmigungsprozesses sollten die Profitabilität von Mini-Grids in naher Zukunft weiter verbessern. Dafür ist jedoch nicht zuletzt ein schlanker, stabiler und transparenter rechtlicher Rahmen für Projektentwicklung notwendig.

Bilder: Mini-Grid Solaranlage, Translight Solar 

Fazit

Das Erreichen der gesetzten Ziele bis 2030 scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Neben den schon länger bestehenden Herausforderungen hatte nun auch Covid-19 bereits einen erheblichen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Infrastrukturprojekten – und wird Investitionen wahrscheinlich auch mittelfristig weiter ausbremsen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass verzögerte Projekte in 2021 wieder an Traktion gewinnen können und dies zu einem Anstieg der Zubauzahlen führen wird. In Afrika allerdings könnten die zusätzlichen Herausforderungen bei der Finanzierung und Entwicklung von Projekten zu Verzögerungen deutlich über 2021 hinausführen. An der zentralen Rolle von Mini-Grids für die Stromversorgung der Zukunft in Afrika wird sich jedoch nichts ändern.

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